Dr. Papageorgiou: Grüße dich Michal, wir kennen uns seit Jahren und ich freue mich sehr dich nach langer Zeit wiederzusehen.
M. Szoltysek: Hi Wassili. Ich bin auf unser Gespräch gespannt.
Dr. Papageorgiou: In der Regel befassen wir uns in diesem Blog über die Schnittmengen der plastisch ästhetischen Chirurgie mit anderen Berufen und Spezialisierungen. Ganz bewusst werde ich in diesem Talk nicht über Liposuktion, Botox oder Bauchstraffungen reden. Ich werde mich ganz deiner Person und deinem bemerkenswerten Lebenslauf als Künstler aber auch als Geschäftsmann widmen. Also fangen wir vorne an. Wo bist du zur Welt gekommen?
M. Szoltysek: Ich bin in einer klassischen Arbeiterstadt geboren, kein Vergleich zu Athen oder zu Barcelona, wo ich das Glück hatte den spirituellen Einfluss für meine Kunst gefunden zu haben.
Dr. Papageorgiou: Manche sagen ja die Frage, wo wurdest du geboren, als Anfang eines Lebens, ist falsch. Wichtiger ist die Frage, wo wurdest du gezeugt. Weil die Zeugung ja ebenfalls als Anfang eines Lebens gewertet werden kann. In deinem Falle bleibt die Frage, in was für ein System wurdest du hineingeboren?
M. Szoltysek: Ganz genau. Es war der sogenannte Sozialismus, was aber in Wirklichkeit Kommunismus war. Philosophisch kann man da Sympathien für empfinden, jedoch kippt dieser leider schnell in Totalitarismus, und genau das ist ein Riesenproblem. Das kann jedoch ebenfalls mit vielen anderen Systemen passieren. Ich habe es gehasst, dass man stets das Individuum der Allgemeinheit unterordnete. Aber das war damals so. Und ich war heil froh, als wir kurz vor dem Zusammenbruch des Ostblocks nach Deutschland auswanderten. Und zwar nach Köln. Damals war ich 15 Jahre alt.
Dr. Papageorgiou: Wie war das so für dich?
M. Szoltysek: Der Klassiker halt. Wow tolle Supermärkte, super Autos, alles im Überfluss… Der amerikanische Glaube „the sky is the limit“. Aber ich musste die Sprache lernen und mich erstmal zurechtfinden. Im Großen und Ganzen hat das schnell geklappt. Man hatte in Köln damals sehr schnell Anschluss finden können, ist halt auch Köln, eine bekannt gesellige Stadt.
Dr. Papageorgiou: Nach dem Abi ging es dann auch gleich an die Uni?
M. Szoltysek: Ja, Wirtschaftswissenschaften habe ich studiert und schnell bzw. ohne große Anstrengungen zu Ende gebracht. Ich dachte, als Künstler brauchst du auch Marketing, daher kann es nicht schaden. Nicht gerade der typische Weg eines Künstlers. (lacht)
Dr. Papageorgiou: Parallel hattest du aber auch schon deine ersten Ausstellungen und so manch eine legendäre Vernissage in Herzen von Köln.
M. Szoltysek: Ja, alles lief wie von allein, man beschäftigte sich mit etwas intensiv, und sowohl was das Studium aber auch meine Künstlerlaufbahn anbelangt, habe ich das Glück sagen zu können: 1+1 macht 3.
Dr. Papageorgiou: Warte mal, das mag bei dir so gelaufen sein, aber wir kennen viele Leute von früher, bei denen 1+1 eben nicht 3 ergeben, sondern ggf. 0 oder sogar ins Minus gehen. Ich glaube du hast da ein besonderes Talent, du schaffst es genau zu wissen wann, also du hast einen unglaublichen Riecher, was das Timing anbelangt. Ich weiß noch, wir hatten uns einige Jahre aus den Augen verloren, ich musste ständig umziehen, Bremen, Osnabrück, Berlin, Aachen usw. um meinen Facharzt beenden zu können, und du warst auf einmal Inhaber einer Online-Marketing-Firma, jetzt netspirits, ein richtiger Player im Business. Wie kam es dazu? Es ist nicht wirklich dein Bereich gewesen, damals.
M. Szoltysek: Naja, wir, also ich und ein guter Freund von mir, haben uns hier und da, meist zuerst für unsere Kunstprojekte und später für Bekannte, damit beschäftigt. Als wir dann immer mehr Kunden hatten, alle auf Empfehlung damals, haben wir uns zusammengesetzt, analysiert und entschlossen uns selbstständig zu machen. Auch als Künstler musst du irgendwie Geld verdienen, wenn du gerade kein Bild verkaufst. Jeder Künstler weiß, wovon ich spreche.
Dr. Papageorgiou: Genau das ist mein Punkt, den ich so faszinierend finde. Nach abgeschlossenem Studium und beginnender Kunstkarriere schwenkst du einfach um und gründest auf dem Höhepunkt in der Weltwirtschaftskrise eine Firma im Internetmarketing.
M. Szoltysek: Und, warum nicht? Man muss das Leben so nehmen wie es kommt. Und ich habe sogar noch weitere Pläne, deswegen habe ich vor ein paar Jahren die meisten Firmenanteile verkauft.
Dr. Papageorgiou: Viele Menschen fühlen sich ja sehr eingeengt, was sie machen und wagen sollen. Insbesondere wollen viele Sicherheit, Sicherheit und nochmal Sicherheit. Also die Bereitschaft etwas zu wagen ist nicht sehr hoch habe ich den Eindruck.
M. Szoltysek: Ja, das beobachte ich auch, gerade in Deutschland ist es sehr in den Menschen verankert. In Spanien ist es nicht so starr. Es ist ein philosophisches Ding. Eine Waage: Sicherheit versus Freiheit, wenn du so willst. Ich bin ein Mensch der Unabhängigkeit. Ich will und versuche frei zu leben, selbstverständlich nie auf Kosten anderer.
Dr. Papageorgiou: Hier sprichst du etwas ganz Wichtiges an. Einigen Menschen ist die Sicherheit sehr wichtig, anderen die Freiheit. Ich glaube, beide Seiten sollte man respektieren.
M. Szoltysek: Wenn ich nicht frei fühle, kann ich nicht atmen, andere müssen sich sicher fühlen um zu atmen. Ja genau. Das Wichtigste ist, dass diese Menschen gegenseitig mit Respekt aufeinandertreffen und dass diese zwei Gruppierungen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Dr. Papageorgiou: Da stimme ich dir absolut zu. Respekt ist halt keine Einbahnstraße.
M. Szoltysek: Und das Leben ist auch keine Einbahnstraße. Als Künstler und Unternehmer pflege ich das Leben und die verschiedenen Situationen des Lebens vielschichtig und losgelöst von Etiketten zu betrachten. Die Interpretation des Gesehenen ist absolut subjektiv und massiv von der Wahrnehmung unserer Mitmenschen beeinflusst. Aber glaube mir, fast immer kann man etwas Schönes sehen, sei es die Natur oder sei es etwas zutiefst Menschliches. Dr. Papageorgiou: Ein Philosoph hat mal Liebe und Freiheit in ein XY-Koordinatensystem eingetragen, also die X-Achse als Liebe und die Y-Achse als Freiheit. Wo würdest du dich da eintragen?
M. Szoltysek: Wer war das?
Dr. Papageorgiou: Luciano De Crescenzo, früher IBM Chef Italiens, dann als zweite Karriere Super erfolgreicher Schriftsteller.
M. Szoltysek: Ja, clevere Idee. Unserem Gespräch nach wäre ich da ganz weit oben auf der Y-Achse. Ist aber nicht so. Ich liebe ebenfalls sehr, also kann ich mich da schlecht monumental eintragen. Sag ihm bitte, er soll ein neues System entwickeln, in welches ich mich eintragen kann!
Beide lachen.
Dr. Papageorgiou: Vielen Dank für das Gespräch.
M. Szoltysek: Ebenfalls.